Katalog zur Ausstellung im Unteren Belvedere (Wien)
Rezension von Ilse M. Seifried
Stadt der Frauen. Künstlerinnen in Wien 1900-1938
Herausgeberinnen: Stella Rollig, Sabine Fellner
Deutsch/Englisch, Seitenanzahl: 304 Seiten Hardcover, 24 × 31 cm, ISBN 978-3-903114-67-8
Prestel Verlag, München – London – New York, 2018 Preis: EUR 36
Mit dem Katalog zur Ausstellung im Unteren Belvedere (Wien), die von 25. Januar 2019 bis 19. Mai 2019 mit dem Titel Stadt der Frauen einladet, liegt nun
ein weiterer bisher fehlender Puzzlestein im Bereich Bildender Künstlerinnen Wiens vor.
Bezug zum Unterricht:
Die Künstlerinnen leisteten ihren Beitrag sowohl zum Stimmungsimpressionismus, Secessionismus, Expressionismus, Kinetismus und der Neuen Sachlichkeit. Diese Fakten wie auch jene Aspekte von
„Frausein in der Kunstwelt“ nicht nur in den Kunstunterricht einfließen zu lassen, sondern in jedem Fach (Mathematik bzgl. der Zahlenverhältnisse Künstler / Künstlerinnen,
Geschichte bzgl. der historischen Entwicklungen der Frauenrechte, Geografie bzgl. Länder und Städte, wo Frauen mehr/weniger Chancen hatten, Deutsch bzgl. Bildbeschreibungen, Chemie bzgl.
der verwendeten Substanzen, etc. Da der Katalog zweisprachig ist, lässt er sich auch im Unterrichtsfach Englisch einsetzen.) und auch Referate, Projekte u.a.m. dazu anzuregen, ist sicher
für alle Schüler*innen und auch die Lehrenden selbst nicht nur ein „must“ sondern auch sehr inspirierend!
Die zu ihrer Zeit sehr bekannten und teilweise ihre Werke zu besten Preisen verkaufende Künstlerinnen, sind heute kaum mehr bekannt. Nun werden sie endlich wiederentdeckt: Ilse Bernheimer, Maria
Cyrenius, Friedl Dicker, Marie Egner, Louise Fraenkel-Hahn, Helene Funke, Greta Freist, Margarete Hamerschlag, Fanny Harlfinger-Zakucka, Hermine Heller-Ostersetzer, Johanna Kampmann-Freund,
Elisabeth Karlinsky, Erika Giovanna Klien, Broncia Koller-Pinell, Frida Konstantin Lohwag, Elza Kövesházi-Kalmár, Leontine von Littrow, Elena Luksch-Makowsky, Mariette Lydis, Emilie
Mediz-Pelikan, Teresa Feodorowna Ries, Mileva Roller, Frieda Salvendy, Emma Schlangenhausen, Anny Schröder-Ehrenfest, Lilly Steiner, Helene Taussig, Ilse Twardowski-Conrat, My Ullmann, Olga
Wisinger-Florian, Grete Wolf Krakauer und Franziska Zach.
Sie schrieben jede für sich und alle zusammen ein bedeutendes Stück Kunstgeschichte.
Die Kuratorin Sabine Fellner schreibt: „Künstlerinnen wie Elena Luksch-Makowsky, Helene Funke oder Erika Giovanna Klien leisteten mit ihren Werken einen wesentlichen Beitrag zur Wiener Moderne
und den künstlerischen Strömungen nach dem Ersten Weltkrieg.“
Für Schüler*innen ist es kaum vorstellbar, wie schwierig es damals für Frauen war, eine Kunstausbildung zu erhalten. Dass es nach wie vor für Künstlerinnen schwierig ist, im Kunstmarkt
mitzumischen und ebenso hohe Preise zu erzielen wie Männer, ist allseits bekannt – spätestens seit dem Aktionismus der Gorilla Girls 1985.
„In 18 Jahren haben wir mehr als hundert Poster, Aufkleber, Bücher, Printprojekte und Aktionen produziert, die Sexismus und Rassismus in der Politik, der Kunstwelt, in Film und Kultur im
allgemeinen öffentlich machen. Wir setzen Humor ein, um Informationen zu vermitteln, Diskussionen zu provozieren, und zu zeigen, dass Feministinnen witzig sein können. Wir tragen Gorillamasken,
um den Fokus auf die Themen zu lenken anstatt auf unsere Persönlichkeiten. ... Das Geheimnis um unsere Identitäten hat Aufmerksamkeit erregt. Wir könnten jede sein; wir sind überall.“
(aus: http://www.guerrillagirls.com/interview/faq.shtml )
Und auch heute noch sind die Zahlen ernüchternd:
Von150 im Museum of Modern Art (N.Y.) ausgestellten KünstlerInnen nur 7 Frauen.
Das KHM Wien besitzt nur 8 Werke von Künstlerinnen (Sofonisba Anguissola, Maria van Oosterwijck, Michaelina Woutier, Rachel Ruysch, Marie Louise Elisabeth Vigée-Lebrun, Rosalba Carriera,
Margherita Caffi, Elisabetta Marchioni - abrufbar unter http://www.khm.at/objektdb/) !
Von bedeutenden Kunstpreisen gingen in 40 Jahren nur drei an Frauen! Und von 220 deutschen Kunst-Professoren sind zurzeit nur 13 weiblich!
(aus: https://www.emma.de/artikel/kuenstlerinnen-die-guerilla-girls-266238 )
Darum ist auch der halbstündige Dokumentationsfilm „Bauhausfrauen“ von Susanne Radelhof (für mdg und rbb 2019 gemacht) sehenswert. Er eröffnet 100 Jahre nach der Gründung vom
Bauhaus einen Blick in die Lebensrealität der visionären Künstlerinnen, die einem offenkundigen Seximus ausgesetzt waren – vielleicht gerade auch deswegen, weil ihre Werke jenen der Männer
Konkurrenz machten?!
Heute sind die Namen der Künstler Allgemeingut. Die Namen der Künstlerinnen wie der erfolgreichen Textildesignerin Gunta Stölzl, Alma Buschers (ihre innovativen Kinderprodukte werden noch heute
verkauft) und Friedl Dicker, die ein Allroundgenie war, sind unbekannt. Sie werden nun wiederentdeckt und ins Bewusstsein gebracht und hoffentlich im Bildungskanon integriert.
Friedl Dicker, geboren in Wien, wechselte zum Bauhaus und kam wieder zurück nach Wien, wo sie von 1926 – 1931 ihr Atelier hatte. So ist sie auch im Katalog Stadt der Frauen
aufgenommen.
Der wichtige Katalog Stadt der Frauen liegt gewichtig in der Hand und ist sehr gut strukturiert. Mit Beiträgen von Silvie Aigner, Dieter Bogner, Sabine Fellner, Julie Johnson, Alexander Klee,
Katharina Lovecky, Gabriela Nagler, Elisabeth Novak-Thaller und Sabine Plakolm werden sehr interessante Aspekte thematisiert.
Drei kompakte Abbildungskapitel zwischendurch machen das Buch sehr ansprechend.
Im Anhang befinden sich die Künstlerinnenbiografien sowie die Werkliste der Ausstellung.
Ein Ausstellungsbesuch ist lohnenswert!
Ebenso lohnt es, sich mit dem Katalog allein zu beschäftigen!
Die Künstlerinnen leisteten ihren Beitrag sowohl zum Stimmungsimpressionismus, Secessionismus, Expressionismus, Kinetismus und der Neuen Sachlichkeit. Diese Fakten wie auch jene Aspekte von
„Frausein in der Kunstwelt“ nicht nur in den Kunstunterricht einfließen zu lassen, sondern in jedem Fach (Mathematik bzgl. der Zahlenverhältnisse Künstler / Künstlerinnen,
Geschichte bzgl. der historischen Entwicklungen der Frauenrechte, Geografie bzgl. Länder und Städte, wo Frauen mehr/weniger Chancen hatten, Deutsch bzgl. Bildbeschreibungen, Chemie bzgl.
der verwendeten Substanzen, etc. Da der Katalog zweisprachig ist, lässt er sich auch im Unterrichtsfach Englisch einsetzen.) und auch Referate, Projekte u.a.m. dazu anzuregen, ist sicher
für alle Schüler*innen und auch die Lehrenden selbst nicht nur ein „must“ sondern auch sehr inspirierend!
Ilse M Seifried
http://www.i-m-seifried.at
http://www.das-labyrinth.at
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