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ÖLI-UG: "Pädagogikpaket 2018 ignoriert zentrale Ergebnisse der Bildungsforschung"

Stellungnahme der Österreichischen Lehrer/innen Initiative (ÖLI-UG) zur geplanten Änderung des Schulorganisationsgesetzes und des Schulunterrichtsgesetzes im Pädagogikpaket 2018

 

Leistungsbeurteilung
Mehrere Maßnahmen zielen darauf ab, Ziffernnoten wieder stärker in unseren Schulgesetzen zu verankern. Wir kritisieren, dass damit zentrale Ergebnisse der Bildungsforschung ignoriert werden. Es wurde vielfach belegt, dass eine Objektivität, Reliabilität und Validität für eine Leistungsbeurteilung mit Ziffernnoten nicht nachgewiesen werden kann. Andererseits hat Hattie das kriteriale Feedback als bedeutendsten Faktor für eine positive Leistungsentwicklung dokumentiert. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet die Ziffernnoten im vorliegenden Gesetzesentwurf favorisiert werden.
Darüber hinaus sehen wir als in der Praxis stehende LehrerInnen auch, dass mit der Wegnahme der Entscheidungsmöglichkeit im Klassenforum ab der zweiten Klasse auch die Motivationslage von LehrerInnen stark belastet wird. In die Entwicklung von alternativen Leistungsbeurteilungssystemen wurde bisweilen jahrelang erheblich Zeit und Engagement investiert.
Im vorliegenden Entwurf ist eine Alternative Leistungsbeurteilung nach Klassenforumsentscheid nur mehr in der 1. Klasse und im ersten Semester der 2. Klasse möglich. Diese Regelung bedeutet in der Praxis, dass auch im ersten Semester der 2. Klasse von den Lehrpersonen Aufzeichnungen geführt werden müssen, die eine Ziffernnotenbeurteilung für das gesamte Schuljahr (Jahreszeugnis) rechtfertigen. Eine Schwerpunktsetzung auf Rückmeldungen in Form der alternativen Leistungsbeurteilung wird dadurch bereits für das erste Semester der 2. Klasse erschwert. Der qualitative Vorteil einer solchen zeitlichen Mehrbelastung, die sich nicht zuletzt aus dem erforderlichen dauernden Paradigmenwechsel zwischen den Beurteilungssystemen ergibt, ist nicht ersichtlich. Wir plädieren dafür, dass die alte Regelung – alternative Leistungsbeurteilung bis zum Ende der 3. Schulstufe, nach Befürwortung des Klassenforums - beibehalten wird.
Dieser Logik folgend empfehlen wir außerdem, davon abzusehen, dass aufVerlangen der Erziehungsberechtigten zusätzlich zur Information über den Lern- und Entwicklungsstand eine Schulnachricht auszustellen sei. Der alternativen Leistungsbeurteilung geht ein Klassenforumsbeschluss voraus. Dass dieser mit einem Antrag unterlaufen werden kann, widerspricht unserem demokratischen Grundverständnis.
Auch umgekehrt sehen wir in der parallelen Anwendung von zwei Beurteilungssystemen keine Vorteile. Wir empfehlen daher, auf die folgendenBestimmungen im Gesetzesentwurf zu verzichten:
In der Primarschule ist dem Zeugnis eine schriftliche Erläuterung hinzuzufügen. In der Sekundarstufe kann das Klassen- oder Schulforum beschließen, dass dem Zeugnis eine schriftliche Erläuterung hinzuzufügen ist.Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger bürokratische Verpflichtungen, denn diese gehen auf Kosten der Zeit für die Kinder und die Vorbereitung auf den Unterricht.
Die ergänzende differenzierte Leistungsbeschreibung EDL muss künftig nicht nur eine verbale Beschreibung der Leistungsstärken, sondern auch die Lernfortschritte enthalten. Der Aufwand für die künftige Leistungsbeschreibung ist ungebührlich hoch. Lernfortschritte lassen sich im Rahmen von Elterngesprächen einfacher transportieren.

Organisation der (Neuen) Mittelschule
Es gibt gute Gründe die Organisationsstruktur der Sekundarstufe I kritisch zu hinterfragen. Man könnte etwa die Notwendigkeit der stärkeren......

Durchmischung aller 10 bis 14-jährigen Kinder in Erwägung ziehen und die AHS-Unterstufe als Pflichtschule deklarieren, anstatt die Mehrzahl jener Herausforderungen, die über das reine Unterrichten der Gegenstände hinausgehen, den alten oder neuen Mittelschulen bzw. Sonderschulen zu überlassen. Diese Überlegung wird im vorliegenden Entwurf nicht angestellt.

Viele HauptschullehrerInnen sind ihrem Empfinden nach über Nacht LehrerInnen von Neuen Mittelschulen geworden und sehen sich jetzt mit einer weiteren grundlegenden Umgestaltung ihres Arbeitsfeldes konfrontiert. Dabei geht es für die Lehrpersonen nicht ausschließlich darum, die neuen gesetzlichen Regelungen korrekt umzusetzen, sie werden auch gefordert sein, die Neuerungen den Eltern ihrer SchülerInnen zu erklären. Es wird an ihnen liegen, die Erfordernisse, die sie an ihren Standorten wahrnehmen, mit aktuellen Schulgesetzen und ihrem eigenen Knowhow in Einklang zu bringen, um die bestmöglichen Settings für ihre SchülerInnen anbieten zu können und das Vertrauen der Eltern zu erhalten. Die rasch aufeinander folgenden weitreichenden Umgestaltungen ihres Schultyps haben ihnen in den letzten Jahren bereits erhebliche Anstrengung und Engagement abverlangt. Im Sinne eines respektvollen Umgangs mit den bisherigen undin Zukunft geforderten Leistungen der PflichtschullehrerInnen der Sekundarstufe I raten wir entschieden folgende Vorgaben im Gesetzesentwurf abzuändern:
Die Entscheidung, ob SchülerInnen entsprechend ihrem Leistungsniveau zeitweise oder dauernd in SchülerInnengruppen zusammengefasst werden obliegt den SchulleiterInnen. Wir fordern, dass diese Entscheidung erst nach Rücksprache mit den LehrerInnen erfolgt und fachweise/jahrgangsweise flexibel gestaltet werden kann. FachlehrerInnenteams unterschiedlicher Fächer sollen unterschiedlich verfahren dürfen, um das in den vergangenen Jahren im Zuge der NMS- Entwicklung erworbene Knowhow weiterhin einbringen zu können.
Der Beobachtungszeitraum nachdem für die SchülerInnen festzulegen ist, nach welchem Leitungsniveau sie zu unterrichten sind, umfasst höchstens 2 Wochen.
Nachdem die SchülerInnen bereits in der 5. Schulstufe an der Schule unterrichtet wurden, ist der Beobachtungszeitraum nur für Neuzugänge sinnvoll. Wir regen an, dies auch im Gesetz entsprechend zu vermerken.
SchülerInnen, denen zugetraut wird, dem Unterricht auf Standard-AHS-Niveau folgen zu können sind unverzüglich auf diesem zu unterrichten. SchülerInnen, die dort mit Nicht genügend zu beurteilen wären, sind unverzüglich auf Standard-Niveau zu unterrichten.
 Wir unterstützen diese Maßnahme, weil dadurch sinnvolle pädagogische Schritte im Interesse der SchülerInnen rasch gesetzt werden können.
Der Gesetzesentwurf regelt die Möglichkeit nach der Ersteinstufung eine Aufnahmeprüfung für das höhere Leistungsniveau abzulegen.
Nachdem vorgesehen ist, dass die SchülerInnen jederzeit auf das höhere Leistungsniveau wechseln können, bereitet das vorgeschlagene Prozedere sinnlosen administrativen Aufwand und ist somit zu streichen.
Zur Ermöglichung eines zeitweisen gemeinsamen Unterrichtes von nicht behinderten SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf können zeitweise Klassen der Mittelschule und Sonderschulklassen gemeinsam geführt werden. Wir regen an, dass auch Klassen der AHS- Unterstufe die Möglichkeit bekommen, gemeinsam mit Sonderschulklassen geführt zu werden.
Die neue Mittelschule wird zur Mittelschule: Diese Maßnahme ist rein kosmetisch. Die Kosten für Gebäudeaufschriften, Stempel, Drucksorten, Logos und anderessind in Summe beträchtlich. Dieses Geld für SchülerInnen zu verwenden wäre wesentlich sinnvoller.

Maßnahmen zur Unterstützung von SchulabbrecherInnen
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass SchülerInnen, die in einem freiwilligen 10. Schuljahr die 4. Klasse MS oder PTS nicht abgeschlossen haben, das Recht haben unter bestimmten Bedingungen ein freiwilliges 11. Schuljahr in der MS oder der PTS besuchen dürfen.
Wir ersuchen diesen Ansatz zu überdenken. 16-Jährige in der Mittelschule zu behalten scheint uns aufgrund des unterschiedlichen Entwicklungsstandes der SchülerInnen unsinnig. An der PTS wird die Berufsentscheidung sehr gut vorbereitet, was für ältere SchülerInnen große Vorteile bietet.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass SchülerInnen, die ihr 9. Schuljahr an einer weiterführenden Schule absolviert haben unter bestimmten Bedingungen noch ein 10. Schuljahr an der PTS ablegen dürfen.
Wir befürworten, dass SchülerInnen, die im 9. Schuljahr eine AHS besucht bzw. eine BHS oder BMHS besucht und nicht positiv abgeschlossen haben berechtigt sind, ein freiwilliges 10. Schuljahr zu absolvieren sofern Schulerhalter und Schulbehörde zustimmen.
Wir fordern im Sinne gebotener Gleichbehandlung von SchülerInnen aus BMHS und BMS mit jenen aus der AHS, den nicht positiven Abschluss des 9. Schuljahres als Voraussetzung zu streichen.
Wir regen an, diese Möglichkeiten auf ein 11. Schuljahr zu erweitern, damit Kinder, die durch das in diesem Gesetz angesprochene Sitzenbleiben ab der 2. Klasse VS einen Laufbahnverlust erleben mussten, auch noch zu einem Abschlussjahr mit berufsvorbereitenden Inhalten kommen können. Darüber hinaus schlagen wir vor, für SchülerInnen, die die Aufnahme in eine weiterführende Schule knapp versäumten an den PTS Übergangsstufen, die auf die weiterführende Schule vorbereiten, einzurichten.

Evaluierung
Der Gesetzesentwurf verpflichtet die SchulleiterInnen, die Durchführung von externen Evaluationen einschließlich der Bewertung der Unterrichtsqualität durch die Organe der externen Schulevaluation zu ermöglichen und deren Ergebnisse bei der Schul- und Unterrichtsentwicklung zu berücksichtigen.
Wer sind die Organe der externen Schulevaluation? Um diesen Punkt bewerten zu können, benötigen wir zusätzliche Informationen über die Vorhaben. Im Sinne der Schulautonomie braucht es nicht noch mehr Kontrolle von außen. Es sei denn, die Schule fordert Evaluation an.
 
Gebrauch der männlichen und weiblichen Wortformen
Dass der Gesetzestext nicht durchgängig gegendert ist, stört. Darüber hinaus würde die Verwendung der Pluralformen SchulleiterInnen, LehrerInnen und SchülerInnen die Lesbarkeit der Gesetze deutlich erhöhen.

Ressourcen
Abschließend bleibt zu bedauern, dass der vorliegende Gesetzesentwurf keine zusätzlichen Ressourcen vorsieht. Die Problemlagen in den Pflichtschulen sind bekannt, werden immer wieder in den Medien präsentiert. Die Herausforderungen häufen sich an manchen Standorten besonders. Wir fordern daher eine transparente bedarfsgerechte und ausreichende Mittelzuweisung an die Schulen. Durch reine Umverteilung wird die mittlerweile prekäre Situation der Pflichtschulen nicht zu lösen sein. Für eine gerechtere Schulfinanzierung empfehlen wir die Orientierung am Modell der Arbeiterkammer Wien, das den zusätzlichen Einsatz von 300 Millionen pro Jahr vorsieht.

Für die Österreichischen LehrerInnen Initiativen ÖLI-UG
Barbara Gessmann-Wetzinger, Renate Brunnbauer, Claudia Astner, Uschi Göltl, Gary Fuchsbauer

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