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Mail an Faßmann: „Ich wünsche mir für den gesamten Bildungsbereich (vom Kindergarten bis zur Matura) …!“

Bild:spagra
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Susanne Roithinger (ÖLI-UG) hat Bildungsminister Faßmann auf sein Mail zum Schulschluss „Danke für Ihren Einsatz im Schuljahr 17/18“ geantwortet. Die Redaktion der oeliug.at hat gestern das Mail von Susanne Roithinger (30.06.18) erhalten. Mit ihrer Analyse der bildungspolitischen Maßnahmen des Bildungsministers und die daraus folgende Kritik und die Anregung für eine zukünftig bessere Bildungspolitik, spricht die AHS-Lehrerin und Personalvertreterin im Zentralausschuss die grundlegenden Probleme an, mit denen die Schulen aufgrund der teils verantwortungslosen, unüberlegten, unsozialen, ressourcenkürzenden (billigen) und kompromisslosen Retropolitik auch im Bildungsbereich zu kämpfen haben.

Mit ihrem Mail kam Susanne Roithinger dem Wunsch des Ministers nach, mit ihm "direkt in Kontakt zu treten und" und ihm ihre "Sichtweise zu schildern oder auch Anregungen zu geben". Diesen Wunsch äußerte Minister Faßmann in seinem Mail „Danke für Ihren Einsatz im Schuljahr 2017/18“, das er über bildung.gv.at am 28. Juni 2018 an "Alle Bediensteten" schickte.

 

Von Susanne Roithinger

 

Sehr geehrter Herr Bundesminister Faßmann!

 

Ich nutze den letzten Tag des Schuljahres 17/18 und komme Ihrer Einladung der direkten Kontaktaufnahme, um meine persönliche Sichtweise (aus dem AHS-Schulalltag bzw. den mit dem kommenden Schuljahr in Kraft tretenden Veränderungen) zu schildern, hiermit gerne nach, wobei ich auf die von Ihnen angesprochenen Bereiche eingehe und zum Abschluss meine Wünsche vorbringe.

 

Zunächst hoffe ich, dass Sie sich beim Segeln in Kroatien gut erholt haben und voller Energie Ihre vielfältigen Aufgaben in Angriff nehmen können.

 

Meine Anmerkungen chronologisch:

Ja, ich stimme Ihnen zu – v.a. der Schulschluss (insbesondere im Osten) war äußerst ereignisreich – auf äußerst unangenehme Art und Weise, da die Ende Juni eingelangte Information über einzusparende Werteinheiten v.a Schulleiter*innen und Administrator*innen in einer äußerst arbeitsintensiven Phase (Konferenzen, Bescheidausgabe, Bearbeitung von Widersprüchen, Elterngespräche usw. usf.) quasi auf dem falschen Fuß erwischte und eine aufs Äußerste unzumutbare Mehrbelastung darstellte.

Inmitten des Schulschlusstrubels musste über Nacht die Lehrfächerverteilung geändert und neu berechnet werden sowie Gespräche mit dem Dienststellenausschuss durchgeführt und die betroffenen Kolleg*innen informiert werden. Ähnliches traf auf die Neugestaltung der Kustodiate zu.

Die Kompetenz „Ministerielles Zeitmanagement“ würde ich daher mit einem glatten „Nicht erfüllt“ beurteilen.

 

Ich weiß nicht genau, worauf sich der Satz „Darüber hinaus werden durch die Reform die Möglichkeiten der schulautonomen Entscheidungen und Entwicklung am Schulstandort und die Möglichkeiten der flexiblen pädagogischen Gestaltung ausgeweitet“ bezieht, für mich stellt er den Versuch dar, u.a. die Aufhebung der Teilungs- und Eröffnungszahlen bzw. Gruppengrößen schön zu reden.

 

Was die Deutschförderklassen und Deutschförderkurse betrifft, so ....

Was die Deutschförderklassen und Deutschförderkurse betrifft, so sind mir befremdliche Aktionen - diversen Medien zufolge - seitens einiger Mitarbeiter*innen Ihres Ministeriums in Erinnerung – ebenso habe ich heute im „Der Standard“ mit Erstaunen gelesen, dass das benötigte Personal für die Sprachförderklassen v.a. in Wien das Kontingent der Fremdsprachenassistent*innen verringert – eigentlich wenig überraschend, dass das Fremde raus muss…Bezüglich des Zeitmanagements der Lehrpläne für die Deutschförderklassen...sieh oben.

 

Ich begrüße Ihr Ansinnen, die „Zentralmatura“ beizubehalten und Veränderungs- bzw. Verbesserungsvorschläge einzuholen und diese auch umzusetzen. Damit dies gelingt ist es meiner Meinung nach notwendig, die Lehrpläne radikal zu entrümpeln (wie Sie im nächsten Absatz andenken) und somit auch die Kompetenzen zu reduzieren, damit neben dem – derzeit überwiegenden Training der/für die Prüfungs- und Testformate - auch Zeit bleibt für Unterricht, Innehalten und individuelles Vertiefen des Stoffes. Lernen und Lehren sollte ja zwischendurch auch Freude bereiten (und nicht nur ein mechanischer Vorgang sein).

 

Der letzte Absatz zur Schnittstellenproblematik klingt nach frommem Wunsch (und ist somit eine passende Überleitung zum abschließenden Teil dieses Mails) – es ist ja – ich beziehe mich v.a. auf Ballungszentren - nicht wirklich verwunderlich, dass nur wenigen NMS-Absolvent*innen ein erfolgreicher Umstieg in die Sekundarstufe 2 gelingt – somit müsste Ihnen auch klar sein, wo hier anzusetzen ist bzw. wo ein massiver Bedarf an vermehrten Ressourcen besteht.

 

Nun meine persönlichen Anregungen bzw. Wünsche zu den von Ihnen angeführten Bereichen:

 

Außer einer zeitgerechten Zuteilung von genügend Werteinheiten bedarf es meiner Meinung auch eines zusätzlichen Werteinheiten-Kontingents (im Ausmaß von mindestens 4% der Gesamtwerteinheiten, die ein Standort für den Unterricht benötigt) für nicht-unterrichtliche Tätigkeiten, die an jeder Schule zumeist unentgeltlich erfolgen (müssen), damit das Schulleben überhaupt funktioniert (z.B. diverse Koordinations-, Organisations- und Verwaltungsaufgaben, Schulentwicklung etc.) – ich meine tatsächlich Zeit (in die Lehrverpflichtung eingerechnet) und nicht eine monetäre Abgeltung.

 

Es wäre fein, wenn am jeweiligen Schulstandort entschieden werden könnte, welche Schüler*innen in welcher Form einen Deutsch-Förderkurs besuchen können - mitunter wäre es vielleicht v.a. in Ballungszentren hilfreich, wenn auch „ordentliche“ Schüler*innen die Gelegenheit bekämen, zur Verbesserung ihrer Bildungschancen an einem Deutschförderkurs teilzunehmen – auch die eine oder andere allgemeinbildende höhere Schule weist mittlerweile einen relativ hohen Anteil an Schüler*innen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch auf.

 

Zur Organisation der Reifeprüfung möchte ich anregen, das System des Vorsitzes durch Schulleiter*innen zu überdenken: Das führt zumindest in Wien dazu, dass Direktor*innen im zweiten Semester ihre Leitungstätigkeit kaum wahrnehmen können, da sie entweder in der eigenen Schule (als Direktor/in) oder in einer anderen Schule in der Vorsitzendenfunktion tätig sind und daher auch kaum greifbar für (akute) Anliegen von Schüler*innen, Lehrpersonen und/oder Eltern; abgesehen davon, dass ihre eigentliche Arbeit liegen bleibt. Wäre es nicht eine Möglichkeit, Lehrpersonen (nach einer kurzen rechtlichen Einschulung) als Vorsitzende einzusetzen?

 

Ich wünsche mir für den gesamten Bildungsbereich (vom Kindergarten bis zur Matura) ausreichend....

 

Zum Abschluss bleibe ich vage, konkrete Ausführungen würden den Rahmen sprengen: Ich wünsche mir für den gesamten Bildungsbereich (vom Kindergarten bis zur Matura) ausreichend Geld – für räumliche Ausstattung, Materialen und Personal (Verwaltung, Pädagog*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen…) – dazu kleinere Gruppen/Klassen, eine Aufteilung der Lehrverpflichtung in 80% Unterricht (inkl. Vor- und Nachbereitung) und 20% Zeit für Kinder, Eltern, Teambesprechungen…, echte Autonomie und v.a. ein Ende der Segregation mit 10 Jahren.

 

Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, bis hierher zu lesen, stehe für weiteren Austausch gerne zur Verfügung und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

 

Susanne Roithinger

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