Medienberichte zu den bisherigen Ankündigungen zum Bildungspaket der werdenden schwarztürkisblauen Koalition:
Kommentar: Lisa Kogelnik – derStandard.at: Die Lücken im türkis-blauen Bildungsprogramm
Die Notenpflicht in der Volksschule ist ein Symbol. Die Schulen brauchen anderes:
Aufgewärmt oder rückwärtsgewandt: So lässt sich das meiste, was bisher aus dem Bildungsprogramm von ÖVP und FPÖ bekannt wurde, zusammenfassen.
Die Wiedereinführung der Notenpflicht, nachdem von SPÖ und ÖVP die alternative Beurteilung ermöglicht wurde, fällt laut Lisa Kogelnik in die Kategorie Rückwärtsgang. Nach fast 50 Jahren erfolgreichen Schulversuchen und einer seitdem breiten Akzeptanz der verbalen Beurteilung bei Schüler/innen, Eltern und Lehrer/innen. (Siehe auch: „Viel heiße Luft aus den Verhandlungsräumen der Koalition“).
Nichts Neues ist die Abschaffung der siebenteiligen Notenskala an den Neuen Mittelschulen, Bekenntnis zum Ausbau der Ganztagsschule und das zweite Kindergartenjahr.
Was fehlt, ist viel, zum Beispiel das Bekenntnis zu einer akademischen Ausbildung für KindergartenpädagogInnen, eine bessere LehrerInnenausbildung und mehr Personal, um mit den zunehmend heterogenen Klassen zurechtzukommen.
Zusätzliches Geld scheint es von ÖVP und FPÖ für die Polizei zu geben, aber nicht für Schulen. Das zeigt, dass die Prioritäten der kommenden Regierung nicht in der Bildung liegen.
Bernhard Gaul im Kurier: "Brauchen doppelt so viele Kinder-Pädagogen"
Mehr Qualität gehe nur mit kleineren Gruppen und Kindergarten ab 4 für alle, sagt Raffaela Keller, Obfrau des Berufsverbandes der Kindergarten- und Hortpädagogen
Kindergartengruppen mit 25 Kindern, betreut von einer Kindergartenpädagogin und einer Assistentin, sind viel zu groß. Maximal Gruppen mit 15 Kindern und zwei PädagogInnen, wäre das Ziel. Und
da die geplante Ausbildung der Kindergarten-LeiterInnen auf Uni-Niveau nicht so schnell umgesetzt werden könne (Anm. der Red.: weshalb eigentlich nicht?), schlägt Keller vor, vorerst
eigene Kollegs einzurichten.
Keller zum verpflichtenden Kindergarten ab dem vierten Lebensjahr: „Alle brauchen das“, denn es ginge im Kindergarten um mehr „als den sicherlich auch erwünschten Spracherwerb".
Eine Reduzierung auf die Sprachkenntnis, sei „fern der wissenschaftlichen Erkenntnisse“. Zumindest fragwürdig sei die Forderung nach einem "Bekenntnis zur Verfassungs-, Werte- und
Gesellschaftsordnung. […] Wer soll diese Werte und die Gesellschaftsordnung vorgeben, vielleicht Andreas Gabalier?"
Grundsätzlich sei sie aber mit den bisherigen Vorschlägen sehr zufrieden. "
ORF.at: Kritik an ÖVP-FPÖ-Plänen zum Bildungspaket
Das von den Parteichefs Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) verkündeten Pläne stoßen auf einige Kritik. Neben der SPÖ erteilte auch die NEOS dem Paket eine glatte Absage.
Dieses sei reaktionär und drücke eine „Sehnsucht nach Zucht und Ordnung“.
ORF.at: Gegen Spaltung der Gesellschaft
Die NEOS benoten die ÖVP-FPÖ-Pläne in der Bildungspolitik mit einem Nicht genügend. Klubchef Matthias Strolz sieht darin „echte Chancenkiller für junge Menschen“. Damit
meint er nicht nur die Wiedereinführung der Noten in der Volksschule, die von einer „Sehnsucht nach Zucht und Ordnung“zeuge, sondern auch an der Finanzierung und dem weiterhin bestehenden
Einfluss der Politik. „Wir sehen hier einige Schritte nach vorne, aber wesentlich mehr Schritte nach hinten“, so Strolz. Positiv bewertet er, Deutsch als gemeinsame Unterrichtssprache
aufzuwerten, die Einführung des Unterrichtsfaches politische Bildung und Staatskunde und die Aufwertung der Lehre.
Der NEOS-Chef ortet aber einen machtpolitischen Zugriff auf das Bildungssystem und befürchtet eine zunehmende Parteibuchwirtschaft bei der Direktorenbestellung.
Strolz warnt vor den Folgen der schwarztürkisblauen Bildungspolitik: „Die Spaltung der Gesellschaft mit Ghetto-Kindergärten und Brennpunktschulen wird sich weiter verstärken“, das
Gymnasium komme unter eine „Käseglocke“, freie Schulen würden hingegen weiter links liegen gelassen. Auch die Finanzierung liege durch ein Budgetloch von 600 Mio. Euro im Argen, was
aber „weiterhin Peanuts in den Augen der Verhandler“ seien.
Für Bildungsexperte Stefan Hopmann von der Uni Wien werden die Folgen der eingeschlagenen Bildungspolitik der künftigen Koalition fatal sein. Ein „Schwachsinn“ sei das
Vorhaben, die Leistung von Schulen und Lehrenden zu bewerten. Damit lasse sich niemals die Qualität einer Schule beschreiben. Vor allem aber führe es zu einer sozialen
Segregation, da sowohl Lehrerinnen und Lehrer als auch Eltern sich - noch stärker als bisher - die besseren Schulen aussuchen würden. Das führe zu einer „massiven Ungleichverteilung“.
Androsch sieht keinen „großen Wurf“. Er warnt vor einem Rückschritt.
Betont gelassen reagierte der oberste Lehrergewerkschafter Paul Kimberger. „Grundsätzlich sind jetzt einmal ein paar Überschriften präsentiert worden. Man wird aber
auf das Kleingedruckte warten müssen“, so Kimberger. „Oberflächlich gesagt gehen viele Dinge in die richtige Richtung“.
Bildungsministerin Sonja Hammerschmid ist „fassungslos, wie wenig die Verhandlungspartner offensichtlich von den Bedürfnissen unserer Lehrer und Schüler wissen […
und …] „undurchdacht“ die bisherigen Vorschläge seien. Dass der neue Vorschlag für ein verbindliches zweites Kindergartenjahr nur mehr einen Teil der Kinder umfasst, sei ein
Rückschritt.
Als „gefährlichen Populismus“ lehnte Hammerschmid die geplanten Deutschklassen vor Schuleintritt ab. „Wir können doch von Kindern nicht auf der einen Seite erwarten, dass sie sich
integrieren und die Sprache lernen, und sie dann auf der anderen Seite ausgrenzen und zusammensperren.“
Die Sozialpartner sind geteilter Meinung. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) ist „zufrieden“, Rudolf Kaske, Chef der Arbeiterkammer kritisiert vor allem, dass
„die Kinder möglichst früh [getrennt] statt möglichst lange gemeinsam“ gefördert werden.
Für Wiens Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorsky sind die Vorschläge ein „Schlag ins Gesicht“, für die Wiener Grünen ist das Paket „zum Weinen“.
Bernhard Gaul im Kurier: Gewerkschaft: Nicht genügend für VP-FP-Schulplan
Lehrergewerkschafter Kimberger ist mit Teilen des Koalitionsplans nicht glücklich. Der schwarze Gewerkschafter wettert gegen den türkis-blauen Plan zu Bezahlung nach Leistung: "Ich verwehre
mich gegen solche populistischen Ansagen“.
Kimberger freut, „dass die neue Regierung offenbar in das Bildungssystem investieren will". Kritik übt er indes am ÖVP-Verhandler und Bildungsexperten Andreas Salcher: "Damit ist auch gleich
das Märchen des ach-so-teuren Schulsystems im OECD-Vergleich widerlegt, das Salcher wieder und wieder kolportiert. Es ist nämlich genau das: Ein Märchen."
Ansonsten seien inhaltlich bisher nur Überschriften präsentiert worden und man müsse auf das „Kleingedruckte“ warten.
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